Ein Fisch in wilden Wassern

Von Stefan

Die ersten Wochen, der erste Monat auf dem Bunten Acker liegt nun vollständig hinter uns. Spannend, turbulent. Am Anfang einer neuen, größeren Aufgabe fühlt es sich bei mir immer so an: ich springe in ein leicht vom Wind aufgepeitschtes Meer. Meereswogen, die ganz schön rauf- und runter gehen. Und ich springe rein. Von außen, vom Schiff aus konnte ich sie mir noch schön anschauen, die Wellen. Ich wusste, die Dünung ist kräftig, aber wirklich wissen würde ich es erst, wenn ich reinspringe. Zack--platsch! Schwimmen---schwimmen! Ruhig bleiben, auch wenn grad die nächste Welle auf einen zukommt -- KLATSCH! Unterwasser, auftauchen, der Meereswind fegt mir durchs Gesicht, Salzgischt in die Augen...

 

Aber Moment Mal. Ich dachte, ich wäre auf dem Bunten Acker? Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint hier und da, überall Knospen, die Forsythien blühen. Stille. Eine leichte Brise weht mir durch die Haare. Wo ist das Wasser hin, wo das Meer?

Die ersten Wochen. Ich muss erstmal schwimmen lernen. Die Aufgabe, einen großen Gemüseacker, von dem bald in Fülle Gemüse geerntet werden soll, im Blick zu behalten ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Über Siebzig verschiedene Kulturen hatten Frank und Heike zuletzt das Jahr über auf dem Acker stehen. Siebzig. Im Ackerbau, wo ich die letzten zwei Jahre meiner Ausbildung verbracht hatte, kann man sich die Kulturen quasi an den Fingern abzählen: Kleegras, Dinkel, Weizen, Mais, Soja, Roggen... evtl. noch ein paar Sonderkulturen. Aber Siebzig! Wie kann ich das in den Griff bekommen? Fangen wir mal an, Schritt für Schritt, mühsam nährt sich das Eichhörnchen... schwimmen lernen...

 

Der gesamte Acker ist in ein paar überschaubare sog. "Schläge" bzw. Blöcke aufgeteilt, die v.a. nach Pflanzenfamilien, teilweise aber auch nach Pflanzzeitpunkt angelegt sind. Diese Blöcke sind nicht fix, sondern rotieren jedes Jahr, damit es auf den Beeten einen für die Pflanzen- und Bodengesundheit so wichtigen Fruchtwechsel gibt. Hier sind sie, die Blöcke:

  • Frühe Kulturen (gemischt)
  • Zwiebelgewächse
  • Kohl
  • Kartoffeln
  • Frucht- bzw. Sommergemüse
  • Kürbisgewächse
  • Wurzelgemüse

Das sind die 7 größeren Blöcke, hinter denen sich nun die vielen, vielen Kulturen, die uns über das Jahr hinweg als wunderbares Nahrungsgeschenk begleiten werden. Der Vollständigkeit halber hier nochmal die verschiedenen Pflanzenfamilien, die, der Fläche nach, auf dem Bunten Acker angebaut werden sollen: Kreuzblütler (Kohl) -- Nachtschattengewächse (Kartoffeln und Fruchtgemüse) -- Doldenblütler (Wurzelgemüse) -- Kürbisgewächse (darunter auch Melonen) -- Zwiebelgewächse -- Korbblütler (v.a. Salate) -- Leguminosen (Bohnen, Erbsen) und weitere.

 

Es ist ja alles schön und gut, das zu wissen, sich da auszukennen. Nur: wie bringe ich das jetzt auf den "Boden", wie bekomme ich ein Gefühl dafür, von was -- wann -- wieviel? Wir haben ja nur eine begrenzte Anzahl von Beeten, und wenn ich von dem einen zuviel mache, wird es von dem anderen weniger werden. Und: wann mache ich was? Mit dem Aussäen in der Anzucht im Folientunnel ist es ja noch lange nicht getan. Wann muss ich anfangen, den Boden vorzubereiten, damit er, wenn gepflanzt oder direkt gesät werden soll, bereit ist, die Pflanze mit ihren Wurzeln gerne aufzunehmen? Denn die Beiden müssen ja in eine gesunde Beziehung zueinander treten, sonst gibt es Schwierigkeiten, Krankheit, im Schlimmsten Fall Ausfall.

 

Der richtige Zeitpunkt, die richtige Menge. Ich glaube, das sind zwei wesentliche Faktoren, an denen ich mich erst einmal entlang hangeln kann. So ist meine Strategie im Moment, mir die verschiedenen Blöcke anzuschauen und zu sehen, wann dort die ersten Tätigkeiten beginnen müssen. Im nächsten Schritt muss ich dann für jede einzelne Kultur in diesem Block bestimmen, wieviel Beetraum sie einnehmen wird, damit die Blockgröße und am Ende die gesamte Beetbelegung des Ackers bestimmt werden kann.

 

Also: Kalender her, Ackerplan her, Saatgut her. Dies Saison kann beginnen!